Hilfengebung

Hilfengebung

In den letzten 6 Wochen hatten wir uns mit den Themen der Sitzfehler beschäftigt. Nun möchte ich dir einen kleinen Exkurs zum Thema Hilfengebung zeigen.

Eine korrekte Hilfengebung ist immer ein Zusammenspiel aller Hilfen.

Die Gewichtshilfe:

 

  • Beidseitig belastende Gewichtshilfe. Sie wird bei allen geraden Linien benötigt. Dies bedeutet, dass beide Sitzbeinhöcker belastet werden.
  • Einseitig belastende Gewichtshilfe. Diese benutzen wir bei allen gebogenen Linien und Seitengängen. Es wird nur ein Sitzbeinhöcker belastet.
  • Entlastende Gewichtshilfe. Sie wird im leichten Sitz angewendet.

 

Die Schenkelhilfe:

 

Mit Schenkelhilfe beschreibt man den Unterschenkel, der sich locker am Pferdebauch befindet und unterstützend mit treibt. Nur als Korrektur können wir den Sporen oder die Gerte als treibende Hilfe hinzuziehen. Dabei unterscheidet man den

  • vorwärtstreibenden Schenkel, der »am« Gurt (eine Handbreit hinter dem Sattelgurt) eingesetzt wird, um die Hinterhand zum verstärkten Abfußen anzuregen,
  • seitwärtstreibenden Schenkel, der das Pferd zum Übertreten animiert und
  • verwahrenden Schenkel, der als Begrenzung bei gebogenen Linien und Seitengängen sowie auch beim »Schenkelweichen« eingesetzt wird.

Der vorwärtstreibende Schenkel sollte immer das jeweilige Hinterbein unterstützen. Dies setzt voraus, dass wir fühlen, wann welches Hinterbein abfußt. Der seitwärtstreibende Schenkel kann zu Korrekturzwecken seine Lage verändern. Wenn wir z. B. mit dem Schenkel mindestens zwei Handbreit hinter dem Gurt treiben, verschieben wir die Hinterhand des Pferdes. Kurz hinter dem Gurt eingesetzt verschieben wir die Schulter des Pferdes.

 

Unser Ziel ist es ein Pferd zu reiten, das allein durch das Gewicht und den Schenkel geritten wird und benötigen die Zügelhilfen nur, um dem Pferd die verlangte Übung zu verdeutlichen.

Demzufolge sollten immer zuerst das Gewicht und dann der Schenkel und erst danach der Zügel eingesetzt werden. Dies findet wenige Millisekunden nacheinander statt, sodass alle vorhergehenden Hilfen immer die letzte Hilfe unterstützen. Je nach Ausbildungsstand und Reitweise ist dies variabel.

 

Zuletzt kommt die Zügelhilfe:

 

Hier unterscheiden wir zwischen dem annehmenden Zügel, die nachgebende Zügelhilfe, die verwahrende Zügelhilfe und den seitwärtsweisenden Zügel. Letzteres zeigt jungen Pferden (oder am Anfang der Ausbildung stehenden Pferden) den Weg. Auf jede annehmende folgt immer eine nachgebende Zügelhilfe! Der verwahrende Zügel dient als Begrenzung und gibt Stabilität außen. Unsere Handhaltung spielt dabei eine große Rolle.

Tragen wir unsere Hände breit und tief, unterstützen wir das Pferd in der Vorwärts-Abwärts-Haltung. Tragen wir sie hoch und eng, wird das Pferd seinen Kopf höher tragen. Sobald unser Pferd die unterstützende Handhaltung nicht mehr benötigt, sollte die Linie Ellbogen – Hand – Pferdemaul (Dressur) bzw. Schulter – Hand – Pferdemaul (Western) eingehalten werden, um das Pferd nicht zu stören.

 

Auch ist ein weiches Handgelenk wichtig. Dazu sollten die Hände aufrecht und geschlossen getragen werden. Der Daumen bildet locker ein kleines Dach auf der Faust. Bei jungen Pferden oder Pferden, die am Anfang ihrer Ausbildung stehen, kann die Stimmhilfe gezielt eingesetzt werden.

 

Damit unsere Pferde nicht auf die Hilfen abstumpfen, sollten wir die 4-Punkte-Regel (dies gilt für alle Hilfen!) beachten:

(1) Wir bitten unser Pferd vorsichtig mit der für später gewollten Stärke.

(2) Wir fordern mit der gleichen Hilfe, aber mit stärkerem Druck.

(3) Wir bauen den Druck auf, sodass unser Pferd sofort die geforderte Übung ausführt.

(4) Sobald unser Pferd die geforderte Übung ausführt, loben wir es mit der Stimme und einer nachgebenden Hilfe.

 

Dein Pferd wird schnell verstehen, dass es sich lohnt, auf das erste Bitten zu reagieren und somit sensibel auf die Hilfen zu werden. Werde niemals unfair oder emotional im negativen Sinne. Bestärke dein Pferd durch ausgiebiges Lob und motiviere es, dir ein kleines Geschenk zu machen. Du wirst merken, dass das Pferd mitdenkt, dir gefallen will und die Übung am liebsten nochmal ausführen möchte, um von dir gelobt zu werden.

 

Wichtig: Pferde können sich nicht sehr lange konzentrieren (ca. 1–10 Minuten). Belohne dein Pferd, nachdem es die geforderte Übung absolviert hat, mit Lob/Schritt/Stehen und einer nachgebenden Hilfe!

Halbe und ganze Parade – mal anders

Halbe und ganze Parade – mal anders

Wie Sie bestimmt schon wissen, stellt die halbe Parade ein Zusammenspiel aller Hilfen dar. Und eine ganze Parade führt immer zum Halten. So weit so gut. Doch warum? Und was genau möchten wir damit bezwecken?

Versuchen wir mal die 1-2 Sekunden der halben Parade in slow-motion durchzugehen. Daraus ergeben sich 6 Phasen. In der ersten Phase erhöht sich die positive Spannung des Reiters. In der zweiten Phase wird die Vorhand mit Hilfe der Schenkel- und Gewichtshilfen nach vorne gedreht. In Phase 3 wird die Vorhand angehoben, indem die Gewichts- und Zügelhilfen verhalten. Nun in Phase 4 wird die Hinterhand durchtreibende Gewichts- und Schenkelhilfen geschlossen und in Phase 5 die positive Körperspannung des Pferdes erhöht. In der 6. Phase wird die korrekte Selbsthaltung des Pferdes durch einen nachgebenden Zügel überprüft.

Daraus wird ersichtlich, dass eine halbe Parade nicht nur bei Übergängen oder zur Vorbereitung auf etwas Neues wichtig, sondern essenziell wichtig ist, damit ein Pferd seine Bewegungszentren korrekt benutzt und somit eine Bergauf-Bewegung stattfindet.

„Das bedeutet, dass die halbe Parade eines der wichtigsten Elemente in der Reiterei darstellt, um das Pferd in einer positiven Spannung zu reiten und somit auf Dauer gesund zu erhalten!“

Bei einer ganzen Parade werden die 6 Phasen genauso durchlaufen, nur dass in Phase 4 nicht nur ein Schließen der Hinterhand bewirkt wird, sondern zeitgleich auch ein Schließen der Vorhand mit Hilfe der Gewichts- und Zügelhilfe, die zum Stillstand führt. Wurde diese Phase korrekt durchgeführt steht das Pferd geschlossen und die positive Spannung wirkt entgegengesetzt zur Schwerkraft. Daraus resultiert ein korrektes an den Hilfen stehendes Pferd, dass auf kleinste Hilfen wieder in die gewünschte Gangart wechseln kann.

In der Reitbahn hört man öfters das Wort „Abspielen“ doch was damit gemeint? Gehört das Abspielen auch zur halben Parade?

Mit dem Wort „Abspielen“ bezeichnen Reitlehrer den feinen Impuls im Maul des Pferdes, der durch ein weiches Annehmen und Nachgeben der Zügelhand entsteht. Dies bewirkt, dass sich die Faszien vom Maul über den Hals lockern, da das Pferd durch den Impuls zum Kauen animiert wird (Wie bei Kindern, denen ein Kaugummi angeboten wird, damit ihre Kaumuskulatur und demnach die Kiefergelenke sich lockern). Durch die Kaubewegung werden die Muskeln und Faszien gelockert. Lockerung wirkt negativer Spannung entgegen und beeinflusst die Konzentration und Leistungsfähigkeit positiv.

Tipp: Lassen Sie Ihr Pferd vor dem Reiten abkauen, indem Sie mit zwei Fingern in die Laden der Pferde fassen, bis sie anfangen zu gähnen. Dies lockert das Kiefergelenk und das Genick des Pferdes. Bei manchen reicht es sogar bis hin zur Schulterpartie.

Das Buch und die E-Books erscheinen am 24. August 2021.

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