Quelle: Ein Auszug aus dem Taschenbuch „Stangen-Workout für Dressurreiter“ von Ann Katrin Querbach, 2020, ISBN: 978-3-275-02195-6
Die korrekte Biegung
Die Formulierung, „das Pferd soll sich um den inneren Schenkel biegen“ wird oft falsch verstanden, indem der innere Schenkel starken Druck ausübt, der innere Zügel das Pferd extrem nach innen stellt und der äußere Schenkel versucht, die Hinterhand nach innen zu schieben und die äußere Zügelhand, wie beim Fahrradfahren, nach vorne geführt wird.
Ganz so extrem wird es natürlich bei den meisten nicht sein, doch das Thema Biegung ist nicht nur interessant, sondern man vertieft damit sein biomechanisches Wissen rund ums Pferd und den korrekten Sitz in der Biegung. So wird das Auge geschult und die eigene Analyse verbessert sich.
Die Biegung des Pferdes bedeutet eine sinnvolle muskuläre Stabilisation der Vorhand und Hinterhand auf der gebogenen Linie.
Deshalb beginnt die korrekte Biegung in der Kontrolle und Stabilisierung des äußeren Schulter- und Beckengürtels in der Standbeinphase.
Ein „verbiegen“ über den inneren Zügel sollte unbedingt vermieden werden. Die Reaktionen des Pferdes auf einen festen Zügel sind sehr gesundheitsschädlich.
Ein korrekt gebogenes Pferd tritt mit den Hinterbeinen in die Spur der Vorderbeine, kann die Traglast auf dem aktiv untertretenden inneren Hinterbein halten und hat genügend Schulterfreiheit, um das innere Vorderbein vorzuführen. Die drei Achsen (Bein-, Brust- und Kopfachse) sind symmetrisch. Dies kann nur durch die stabile äußere Muskulatur hervorgerufen werden.
Diesem Ziel geht ein gutes und gezieltes Training voraus; dies erfordert Verantwortung, Selbstdisziplin und Selbstreflektion.
Das Pferd als Spiegelbild zum Reiter kann auf psychischer aber auch auf physischer Ebene gesehen werden. Die Achsen zwischen Brustkorb des Pferdes und dem Oberkörper des Pferdes sollten immer symmetrisch und identisch sein. Genauso verhält es sich mit den Achsen zwischen den Reiterbeinen und den Pferdebeinen.
Nur wenn ein Pferd korrekt gebogen ist und seine Stabilität der äußeren Muskulatur für die gebogene Linie ausreicht, kann das Pferd gesund geritten und erhalten werden.
Doch wie kann dieses theoretische Wissen in die Praxis Übertragenwerden?
Beginnen wir zunächst am Reitersitz:
Vereinfacht ausgedrückt: Da der Weg zwischen Schulter und Hüfte des Pferdes innen kürzer als außen ist und damit sich der innere Rückenmuskel des Pferdes vereinfacht ausgedrückt zusammenziehen kann, sollte der Reiter seinen inneren Sitzbeinhöcker belasten.
Dies geschieht, indem der Reiter seine innere Seite (Hüfte bis Schulter) stabil hält und die innere Schulter ein Stück nach vorne schiebt. Hierbei geht es nur um wenige Millimeter und ist bei jedem Reiter und
jedem Pferd individuell verschieden. Du findest die korrekte Schulterhaltung für dich mithilfe der kleinen nachfolgenden Übung heraus.
Übung 1:
Stell dir vor, du hättest einen schweren Mehlsack auf der inneren Schulter, der nicht runterfallen darf. Knickt man in der Hüfte innen ein und die innere Schulter hängt nach unten, fiele der Mehlsack runter.
Auch kann hierbei eine weitere kleine Übung helfen:
Übung 2:
- Setz dich auf die Knie eines Freundes, der bequem auf einem Stuhl oder einer Bank sitzt.
- Belaste nun z.B. den linken Sitzbeinhöcker mithilfe der oben genannten Stabilität in der linken Seite.
- Nun zieht der Freund sein rechtes Bein unter deiner Hüfte weg.
- Bleibst du stabil sitzen, hast du alles richtig gemacht. Kommst du durch das Wegziehen des Beines deines Freundes ins Schwanken, hattest du noch keine korrekte Sitzposition für eine gebogene Linie.
- Wiederhole diese Übung mehrmals, um das korrekte Gefühl abzuspeichern.
Pferde, die ihren inneren Rückenmuskel in der Biegung nicht zusammenziehen wollen, lassen den Reiter außen sitzen. Oft rutscht auch dann der Sattel nach außen.
Bleiben wir zunächst bei den inneren Hilfen des Reiters. Da sich die innere Reiterschulter leicht nach vorne bewegt, kann auch die innere Hand der inneren Schulter des Pferdes den Raum geben nach vorne zu treten. So wird eine leichte Verbindung zum Pferdemaul hergestellt, ohne das Pferd zu weit nach innen zu stellen.
Wichtig: eine Biegung entsteht nicht durch die Stellung mit dem Zügel, sondern entsteht im Pferdekörper!
Der innere Schenkel des Reiters hat die Aufgabe, das innere Hinterbein des Pferdes zum Vorfußen zu animieren und hilft die Vorhand auf die Hinterhand einzustellen, wodurch sich die stabile innere Seite des Reiters verlängert.
Merke: Der Reiter bleibt auf der Seite stabil, auf der das Pferd sich biegen soll.
Wichtig bei der Biegung des Pferdes sind die äußeren Hilfen des Reiters. Da wir auf einer gebogenen Linie immer diagonal denken sollten, wäre der Gegenpart zu einer inneren stabilen Hüfte (nicht fest, sondern stabil) der stabile äußere Zügel. Dieser unterstützt die äußere Schulter des Pferdes gegen die Fliehkraft, Stabilität in den Schultergürtel zu bekommen und so ein Verdrehen des Brustbeins zu verhindern. Auch hier sprechen wir nicht von einem festen Zügel, sondern von einem stabilen und begrenzenden Zügel, der eine weiche Verbindung zum Pferdemaul gewährleistet.
Durch diese diagonale Stabilität des Reiters bekommt das Pferd die Hilfe, die es benötigt, um die seitlichen Muskelgruppen zu trainieren und die Vor- und Hinterhand miteinander zu synchronisieren. Somit übernimmt das innere Hinterbein des Pferdes Energie vom äußeren Schultergürtel.
Der äußere Schenkel des Reiters begrenzt das Pferd und hilft so die Achsensymmetrie bzw. die Einstellung der Vorhand auf die Hinterhand zu verbessern.
Wir als Reiter sollten immer darauf achten, dass wir dem Pferd helfen seinen Bewegungsablauf zu verbessern, um Schäden am Bewegungsapparat zu verhindern.
Je mehr theoretisches Wissen wir uns aneignen und kritisch unseren Sitz analysieren und verbessern, desto gesünder wird unsere Reitweise.
Doch bitte verkopfe dich nicht. Reiten ist keine technische Angelegenheit, vielmehr eine Mischung aus Gefühl, Timing, Wissen, Technik und feiner Kommunikation.
Wir Reiter haben als Trainer der Pferde die verantwortungsvolle Aufgabe, unseren Partner Pferd zu trainieren, zu unterstützen, ihm zu helfen und ihn an die richtige Technik heranzuführen, um gesund und motiviert zu bleiben.
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